Hallo Kay,
Du siehst schon an den Antworten, dass das nicht so einfach ist.
Das Ganze fängt beim Dampfkessel an. Der wird mit einem bestimmten maximalen Druck befeuert. Der erreichbare Druck ist wichtig für die Energiemenge, die am Kolben im Zylinder zur Verfügung gestellt werden kann. Für die dort tatsächlich übertragene Energiemenge ist dann noch die Fläche des Kolbens wichtig. Je größer die Bohrung des Zylinders, desto mehr Energie kann vom Dampf auf die Kolbenstange übertragen werden. (Wenn denn der Kessel auch genug Dampf liefern kann).
Zwischenergebnis: Druck des Kessels und Bohrungsdurchmesser des Zylinders entscheiden, wie viel Energie für das Fahrwerk zur Verfügung steht.
Hinsichtlich der reinen Maximalgeschwindigkeit hat Grischan schon den wichtigsten Aspekt genannt. Die Laufruhe des Fahrwerks. Aufgrund der hohen bewegten Masse der Stangen sind zwar an den Rädern Gegengewichte, die gleichen das aber nicht zu 100% aus. Daher kann ein Treibrad technisch nur mit einer maximalen Drehzahl betrieben werden (die 05 002 hatte 2300mm Treibraddurchmesser und erreichte bei ihrer Rekordfahrt mit 200,4 km/h eine Drehzahl von ca. 460 U/min bzw. 7,7 U/sek).
Nachteil dieser Höchstleistungs-Antriebe ist das geringe Anfahr-Drehmoment. Die Loks kommen also nur schlecht vom Fleck, wenn sie mal stehen. Je schwerer der Zug, desto kleiner mussten die Räder werden, um den auch in vernünftiger Zeit in Gang zu bekommen.
In den Bergen kommt neben dem Beitrag aus der Reibung des Zuges auch noch die Steigung hinzu, für deren Überwindung vom Antriebssystem weitere Energie (und Drehmoment) zur Verfügung gestellt werden musste. Daher bieten sich hier nur kleinere Treibraddurchmesser an, damit das Drehmoment hoch blieb. Die Baureihe 95 (Tierklasse der HBE und pr. T20) ist ein Paradebeispiel für eine Berglok. Gigantische 700 mm Zylinder (damit viel Energie an der Kolbenstange zur Verfügung steht) aber viele kleine Treibräder (5 angetriebene Achsen mit 1400mm Durchmesser).
Die Zusammenhänge zur Reibung haben die Kollegen schon richtig dargestellt, woraus sich die Anzahl angetriebener Achsen ergibt. Da füge ich nichts mehr hinzu.
Schlussendlich wurden aber nicht überall die Extremleistungen gebraucht, die eine 05 oder eine 95 erbringen konnte. Die Höchstleistungen werden mit einem hohen Dampfverbrauch "bezahlt", sind also teuer. Wo weniger Masse gefahren werden musste, die Züge langsamer sein konnten oder die Steigungen moderater waren, wurden andere Loks konstruiert, um das wirtschaftlichste Ergebnis bei den jeweiligen Anforderungen zu erreichen.
Hoffentlich war's verständlich...
hajO
P.S.: bei modernen Loks spielt das nur dann eine Rolle, wenn ein Stangenantrieb vorhanden ist. Dann gibt es exzentrische Masse, die zu einer Unruhe beim Fahren führt. Da praktisch alle moderenen Loks ohne Stangen fahren (und meist den Motor oder die letzte Getriebestufe auf der Achse haben) gibt es nur ganz wenig Unruhe. Daher sind wesentlich größere Drehzahlen am Treibrad möglich. Dann machen kleinere Treibraddurchmesser wesentlich mehr Sinn, um aus der vorhandenen Energie ein möglichst hohes Drehmoment zu bekommen, welches dann zu einer hohen Anfahrleistung führt. Moderne Loks sind daher auch wesentlich spurtschneller, als Schnellzugdampfloks. H.