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Modelltest BR 55 (p. G 8.1) von Jago

R.P.

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Pirschheide
Hi Fans!

Endlich konnte ich mir etwas Zeit abringen, den Erfahrungsbericht zur 55 von Jago zu schreiben. Bin zur Zeit sehr ausgelastet, leider nicht mit Modellbahn.

Das Ganze beginnt mit einer riesigen Enttäuschung. Wie wir ja spätestens seit Prof. König wissen, dient die Eisenbahn ja der Personenbeförderung und dem Gütertransport. Ein vorbildgerechtes Modell sollte sich also an diesen vornehmen Aufgaben messen lassen. Um es ganz klar zu sagen: Die 55 von Jago erfüllt die Bedingungen zur Personenbeförderung in keiner Weise! So sehr ich mich auch mühte bzw. sich eigentlich das Modell mühte, zur Personenbeförderung ist das Modell ÜBERHAUPT nicht in der Lage. Auch der Versuch mit einem verhältnismäßig leichten Exemplar der Gattung Homo sapiens zeitigte keinen Transport... - Verzeihung - Beförderungserfolg. Zudem war es nicht gerade gemütlich, auf dem viel zu schmalen Modell zu balancieren. Also ganz ehrlich, längere Strecken möchte ich so nicht zurücklegen. Voll unbequem! Hier hat unsere liebe Modellbahnindustrie in puncto Vorbildgerechtigkeit noch einiges aufzuholen. Apropos bequem - umgekehrt war es mir im Gegensatz zum Modell bequem möglich, das Modell zu befördern (auch vorbildwidrig - selbst mehrere schwarzeneggerhafte Personen dürften mit dem Vorbildleergewicht - ohne Tender (!) von 61,8 Tonnen ihre Mühe haben), aber das ist ja in diesem Fall auch Gütertransport. Bei letzterem wiederum schnitt das (haftreifenlose) Modell etwas besser ab, die Zugkraft beträgt nach eigener Messung in der Ebene 20 Gramm, womit ich den Schalk einmal bitten möchte, meinen Nacken zu verlassen. Die haftreifenlose Zugkraft reicht also völlig aus, um eine nebenbahntypische Garnitur über die Anlage zu bewegen.

Ich hoffe, Daniel nimmt es mir nicht übel, seine Signatur einmal für einen Seitenhieb auf übertriebene Modelltreue mißbraucht zu haben, aber es bot sich irgendwie an.

Die minimal mögliche Geschwindigkeit entspricht mit dem Halbwellentrafo von Titan 8,3 km/h beim Vorbild. Mit dem Bühler-Trafo waren 12 km/h noch gerade möglich. Die Vmax bei voll aufgedrehtem Regler (14 Volt) entspricht 86 km/h beim Vorbild. Zwischen den beiden Extremwerten liegt also genügend Spielraum für eine fein abgestufte und vorbildgerechte Modellgeschwindigkeit.

Etwas mittendrin - Gedanken zum Ersteindruck. Dieser wurde bei mir völlig überlagert von der Freude über diese Formneuheit, noch dazu des Modells der pr. G 8.1, welches schon lange meine lange (Dampflok-)Wunschliste bevölkerte. Nach dem die diesbezüglichen Freudentränen abgetupft waren, gefiel das Modell zunächst durch saubere Verarbeitung und Lackierung (schiefe Teile sind auf den ersten Blick nicht zu erkennen). Jede Menge filigrane und teils einzeln angesetzte Details erfreuen sozusagen das Auge. So sind u.a. die Nietenreihen sämtlich gerade und sauber nachgebildet, der Umlauf ist fein geriffelt, die Beschriftung ist sehr sauber und gut lesbar ausgeführt. Insgesamt erinnert die Bauweise, bis auf die Radsätze, die bei der 55er aus Metall sind, sehr an die Jatt-P8. Das aus Ätzteilen bestehende Gestänge ist feingliedrig, jedoch nicht brüniert. Die Treibstange ist kurz vor dem Kurbelzapfen, wie bei allen Jatt/Jago-Loks, gekröpft. Mich stört das eigentlich gar nicht so sehr, aber man darf gerne geteilter Meinung sein. Eher störte mich der viel zu dicke Umlauf, der dem Gesamteindruck am meisten schadet. Hier ist für den im Besitz eines feinen Pinsels befindlichen Modellbahner aber leicht Abhilfe möglich, unterhalb der Oberkante einfach schwarz anmalen. Auf dem Bild ist dies bereits geschehen, war vorher rot. Was mir, mehr noch als der etwas große Lok-Tender-Abstand, weiterhin nicht gefällt: In dem wunderbar freien Führerhaus, welches ja aufgrund der flachen Tenderbauart gut einsehbar ist, fehlt eine Imitation der Kesselrückwand. Wo soll der von der gleichen Firma angebotene und einzige verfügbare Heizer in TT seine (echte) Modellkohle hinschaufeln? Wer sich bei dem Preis der Lok von etwa 300 Euro nicht zu fein dafür ist - ein Stehkessel der 01 macht sich bestimmt gut im Inneren der Laube. Vielleicht rüstet man aber in späteren Serien noch nach. Den Lok-Tenderabstand kann man übrigens durch entsprechendes Verbiegen des Verbindungssteges variieren, je nach zu befahrenden Radien.

Das Lok- und Tendergehäuse besteht offenbar aus Weißmetall. Das Fahrgestell ist, soweit feststellbar, ebenfalls aus Metall, vermutlich in Form einer Mischbauweise aus Weißmetall und Messingguß.

Die Stromaufnahme erfolgt von der 1. Kuppelachse der Lok sowie allen Achsen des Tenders. In der Praxis reichte dies für ein störungsfreies Durchfahren aller kritischen Gleisabschnitte aus.

Der Tender ist über einen kleinen Bügel mit der Lok verbunden, jeweils von einer Schraube gehalten. Um Lok und Tender vollständig trennen zu können, sind die Kabel von der Lok über einen kleinen Stecker mit dem Tender verbunden.

Die Lok hat vorne sowie am Tender Zweilicht-Beleuchtung in Form der Jago-typischen bläulich schimmernden Leuchtdioden. Das Licht wechselt mit der Fahrtrichtung. Wem dieses Licht zu hell und zu blau ist - ich habe einen Tropfen hellbeige Modellfarbe in die Laternen eingebracht, sieht dadurch etwas natürlicher aus.

Eine Beschreibung sucht man in dem hübschen blauen Karton vergeblich zwischen den Schaumgummieinlagen, lediglich im Deckel ist ein kleiner Zettel mit Hinweisen zum Nachölen und Öffnen des Gehäuses angebracht.

Da ich dem neugierigen Jugendalter mit seinem ungestümen Erkenntnisdrang schon seit einiger Zeit entwachsen bin, habe ich auf eine Öffnung der Lok verzichtet. So kann ich nur vermuten, daß der Antrieb mittels Glockenankermotor über Schnecken/Stirnradgetriebe erfolgt. Jedenfalls überzeugt das Modell mit sehr schön weichen Fahreigenschaften und etwas Auslauf bei Stromunterbrechung. Weichen und enge Radien bereiten dem Fahrwerk meines Exemplars keinerlei Schwierigkeiten. Letztere treten eher dadurch auf, daß die Kupplungsaufnahmen (NEM-Schächte) starr mit der Lok verbunden sind. Gerade bei Rückwärtsfahrt macht sich das negativ bemerkbar - der angekuppelte Wagen wird in Radien regelrecht aus dem Gleis gehebelt, weil der Überhang der Lok vorne recht groß ist und die starre Kupplung sehr weit seitlich ausschwenkt. Hier sollte unbedingt nachgebessert werden. Hinten am Tender kommt es durch den geringeren Überhang nicht zu Störungen.

Und jetzt lasse ich den Pufferküsser raushängen. Nee, die Nieten habe ich nicht gezählt, das war mir zu doof. Ich habe vielmehr Bücher und Zeitschriften gewälzt, tatsächlich fand sich im EK-Themen-Sonderheft „Vor 25 Jahren - Die DR 1971" ein bebilderter Bericht über die Abschiedsfahrt der G 8.1 bei der DR, die am Samstag, dem 3. April besagten Jahres stattfand. Und - watt’n Zufall - mit der 55 4154! Zwecks Vergleich habe ich mal ein Bild geklaut:

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Einige Fehler fallen sofort ins Auge: Die Leitern am Kessel der Heizerseite, die Profile auf dem Führerhausdach, die Anordnung der Speisepumpe sowie der Kasten unter dem Führerhaus. Weiterhin sind die Proportionen des Führerhauses nicht ganz getroffen. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß im Laufe der Zeit Umbauten und Veränderungen vorgenommen wurden. Wie gesagt - ich habe Literatur gewälzt, die 2 Leitern am Kessel waren zumeist bei den Loks ohne Speisepumpe und Oberflächenvorwärmer zu finden. Im Eisenbahn-Fahrzeug-Archiv „Lokomotiven preußischer Eisenbahnen" vom Alba-Verlag ist allerdings das Bild einer Lok (Auslieferungszustand bzw. KPEV) mit OV, Speisepumpe und 2 Leitern enthalten. Es gab offenbar auch Varianten mit nur einer Leiter. Bilder aus der Nachkriegszeit und dieser Konstellation habe ich nicht gefunden, natürlich muß das nichts bedeuten. Was - allerdings eher das Vorbild betreffend - noch merkürdig ist: Die Lok mit der späteren Nummer 55 4154 entstammt einer Bauserie des Jahres 1916 (Jung), Fabriknummer 2404. Lt. zuletzt genanntem Lokarchiv wurde der Speisewasserreiniger „Bauart E.Z.A" erst ab 1919 eingebaut - erkennbar am nach vorne gerückten vorderen Sandkasten. Hier entspricht also das Modell dem Vorbild des Jahres 1971, aber eben dieses Vorbild nicht den verfügbaren Literaturangaben. Erklärbar wäre diese Unstimmigkeit ggf. mit einem Kesseltausch innerhalb des langen 55jährigen Lebens dieser Lok...

Zum Vermessen des Modells zwecks Abgleich der Vorbildmaße hatte ich keine Lust, hole ich vielleicht irgendwann nach.

Fazit 1: Obwohl der direkte Vergleich mit dem Vorbildfoto einige Schwächen der Modellumsetzung offenbart, finde ich das Modell vom Gesamteindruck her gelungen. Vieles wäre mir ohne diesen peniblen Vergleich nicht aufgefallen, es stellt sich die Frage, inwieweit man sich den Spaß an einem Modell durch zu viel kompromißlose Genauigkeit und Vergleicherei verdirbt. Aber das sollte jeder für sich selbst entscheiden.

Fazit 2: Es ist die beste G 8.1, die es in 1:120 gibt. Ein Modell mit Charakter und sehr guten Laufeigenschaften.

p.s. Nur aus Jux: Ein Bild von Pikos über 30 Jahre altem G8.1-Modell in Spur N:

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