Zur BR 65.10 ...
Guten Tag,
zur BR 65.10 wurde wieder mal viel ab- und ohne Nachdenken niedergeschrieben. Dabei sollte es doch heutzutage möglich sein, ohne ideologische Verklärung die Geschichte der Baureihe umreißen zu können.
Die Lok ist sehr ambitioniert entworfen worden - sollte mit einem "kleineren" Kessel das Leistungsprogramm der BR 41 abdecken - zumindest ist das Trieb- und Fahrwerk der BR 41 entlehnt (im Kolbenhub dem geringeren Kesseldruck angepaßt). Ein größerer Kessel war auf der Tenderlok nicht unterzubringen. Ergebnis: Das Triebwerk braucht etwa 20 % mehr Dampf, als der Kessel liefern soll/kann.
Dabei gilt: Diese Angabe gilt für den "optimalen Betriebspunkt" des Kessels, also die gewünscht beste Wärmewirtschaft. Soweit zulässig, kann ein Kessel auch mehr Dampf liefern, als an seinem "optimalen Betriebspunkt" - allerdings jenseits dessen, was man Wärmewirtschaft nennt (und ggf. unter Inkaufnahme von erhöhtem Unterhaltungsaufwand).
Diese Überlegung wurde recht bald nach Lieferung der 65 1001/2 gemacht. Dazu braucht man zunächst einmal "mehr Luft". Allerdings leidet die BR 65.10 auch da wieder an ihrer Konstruktion. Man beachte das Bild im EK-Buch zu den "... Neubaudampflokomotiven der DR ... 65.10 ...", S.68, daß es zwischen Strehkessel und Blechrahmen so gut wie keinen Platz für die Luftzuführung gibt. Alles was nun (in der DDR) folgte, durfte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, daß man mit der BR 65.10 eine Fehlkonstruktion auf die Schienen gestellt habe.
Deshalb war Stand 1955 die erste Idee, mit Kohlenstaubfeuerung das Luftproblem zu lösen, da dort der klassische Aschkasten entfällt und man die Verbrennungsluft durch große Rohre von der Rückseite der Lok durch den Rahmen nach vorn bringen konnte. Realisierung: 65 1004 wurde von Babelsberg direkt zum Umbau nach Meiningen geschickt - Babelsberg hatte keine Kapazität für die Bauartänderung und es mußte schnell gehen. Ergebnis: Feuerbüchse zu kurz für die notwendigen Flammenwege der Kohlenstaubfeuerung, also auch keine Lösung. Aber es hieß: "Wir können sogar Tenderloks mit Kohlenstaubfeuerung ausrüsten."
Der nächste Lösungsweg war dann der Giesl. Neben vielen Eigenschaften, die ihm zugeschrieben werden - und die so gut wie nie zum Tragen kamen, kann seine Wirkung auch so beschrieben werden: Aus einer gegebenen Blasrohrenergie entsteht wesentlich mehr Rauchgas- bzw. Verbrennungsluftförderung. Das heißt für die BR 65.10: Sie funktioniert und bringt ihre geforderte Leistung unter erhöhtem Brennstoffeinsatz und unter Verlust von Wärmewirtschaftlichkeit. Gegenüber der Berechnung des Kessels strömt mehr Rauchgasvolumen durch den Kessel, damit schneller und verläßt diesen mit höherer Temperatur (weil die Zeit zur Wärmeabgabe nicht ausreicht).
Deshalb: Wie man irgendwo schon vor vielen Jahren lesen konnte, hat die Ausrüstung mit Giesl-Ejektor die "Konstruktion der BR 65.10 gerettet", aber keinesfalls der Leistungserhöhung oder gar einer besseren Wirtschaftlichkeit gedient.
Allgemein: Die von Giesl gern angeführten Vorteile zur Herabsetzung des Abdampfgegendruckes in den Zylindern sind sehr kritisch - also gleiche Leistung der gesamtwen Saugzuganlage bei geringerer eingebrachter Energie. Dies mag bei hoher Leistungsabforderung funktionieren (große Füllung), allerdings sollten die kleinen Füllungen nicht reduziert werden, da dann das Dampfpolster in den Zylindern zum "Abfangen" der hin- und hergehenden Massen in Trieb- und Fahrwerk fehlt und unter anderem Lagerschäden die logische Folge sind. Mithin ist ein optimaler Einsatz des Giesl-Ejektors nur in einer speziell auf ihn abgestimmten Lokomotiv-(Neu-)Konstruktion (beispeilsweise mit Leichtbaustangen) möglich.
Dies Euch zur Erläuterung.
Beste Grüße
Klaus