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BR24 vs BR64

Guten Tag Tino,
als Eisenbahnlaie muss ich mal fragen, worin lag für die Betreiber eigentlich der Mehrwert einer BR 24 gegenüber einer BR 64?
Die Reibmasse und Radsatzfahrmasse sind ja nahezu identisch.
Lag es einzig an den größeren Vorräten der 24er?
War dadurch auch das Einsatzprofil in der Praxis so verschieden?
die Eisenbahn hat beschafft, was sie brauchte. Und so wurde nahezu jeder Wunsch der Zugförderung erfüllt. Die Frage ist eben nur: Wie im konkreten Falle?

1. Man darf wissen, dass bei den großen Staatsbahnen alten Musters mindestens drei Dezernate mitzureden hatten, wenn es um neue Fahrzeuge ging: Das war die "Entwicklung der Bauart", die Beschaffung (im Grunde Überwachung des Kapitaldienstes) und der Einkauf der Energie/Betriebsstoffe (Kohle und Wasser sparen) - die drei mussten gemeinsam abnicken, wenn der Betrieb (die Zugförderung) etwas wollte.

2. Die Sicht, aus der heraus viele, auch Deine, Fragen kommen: Es gab die Einheitsloks und da sind 24 und 64 tatsächlich "Schwestern" mit nahezu identischer Leistungscharakterisitik. Die Einheitsloks ermöglichten vielerlei:
  • eine Rationalisierung der Werkstattunterhaltung
  • eine Rationalisierung der Konstruktion - für Einzelteile der Griffs ins Regal, um etwas wieder zu verwenden, was man schon für andere Konstruktionen genutzt hat
  • eine Reduktion der benötigten Werkstoffe
  • die Fließtakt-Aufarbeitung in der schweren Instandhaltung (für Dampfloks im Raw Braunschweig [und evtl. in Brandenburg-West?] realisiert)
  • die modulare Weiterentwicklung einzelner Baugruppen, dann auch baureihenübergreifend
  • und damit aufwandsarm Beschaffung, Betrieb, Unter- und Instandhaltung von sehr spezialisierten Fahrzeugen. Ein Beispiel für letzteres ist die Baureihe 85, die als Kreuzung von 44 und 62 entstand, aber gegenüber den ersten 44 schon einige Weiterentwicklungen im Trieb- und Fahrwerk aufwies.
D.h. also, wenn die DRG den Bedarf für eine Lok der Art der BR 24 hatte und das anderweitig nicht zu lösen war, dann musste man die beschaffen. Ein Hauptgrund, und damit das Einsatzgebiet umreißend, waren die Strecken, auf denen die schon angejahrten P6 unterwegs waren. Für die 64 hingegen kann man den Eindruck gewinnen, dass damit ganz andere Einsatzfelder abgedeckt wurden als mit den Länderbahn-1'C1' und teilweise sogar neue Verkehre - durchgehend von der Nebenbahn über den Abzweigbahnhof hinaus bis zum nächsten Hauptbahnknoten. Damit wurden eher andere, ältere und vor allem langsamere Fahrzeuge abgelöst.

Die sehr ähnlichen Aufgabenstellungen im Güterverkehr wurden eben nicht durch eine 86 ohne und mit Schlepptender gelöst. Die ohne Schlepptender wurde zwar beschafft, auch in großer Anzahl, weil Bedarf war. Aber mit Schlepptender hatte der Kapitaldienst etwas dagegen. Es standen genug erst nach dem Weltkrieg beschaffte G8.1 herum, die nichts zu tun hatten. Die bekamen dann eine Laufachse aus dem Einheitslok-Baukasten und füllten genau diese Lücke in großer Zahl aus.

Die DRG hatte durch ihre Rolle als Pfand für die Reparationszahlungen sehr sparsam zu wirtschaften und musste ihren Betrieb rationalisieren und modernisieren. Da wurde wirklich nur beschafft, was irgendwie zu begründen war und es fielen einige Dinge aus dem ursprünglichen Beschaffungsraster der Einheitsloks raus - herausragende Gründe waren:
  • mittelfristig erwartete Übernahme der Leistungen durch Elektrifizierung [keine Gebirgsschnellzuglok]
  • Rationalisierung der Nahgüterzugdienstes durch Kleinloks
  • Umstellung leichter Reisezugdienste auf Triebwagen.
Aber das was beschafft wurde, machte in gefühlt mindestens 98 % aller Fälle betrieblich und betriebswirtschaftlich Sinn - und das gilt nicht nur für Loks, sondern auch für Wagen und Infrastruktur! (Was den Einheitsloks nachgesagt wird, dass sie kesselmäßig nicht der Bringer gewesen sein sollen, halte ich im Gesamtergebnis für wenig bedeutend, denn mit einem Wirkungsgrad mit Einrechnung aller Teil- und Ruheleistungen (Warmhalten, ...) von effektiv 3 bis 4 % gehen Verbesserungen, wie sie Chapelon und andere durchgeführt haben, im Rauschen und im Promille-Bereich unter. Das nur an dieser Stelle nebenbei.)

Soviel von mir zur Ausgangsfrage und als Schilderung der zu beachtenden Entscheidungswelt für diese Frage.

Beste Grüße - schönen Sonntag!

Klaus
 
Klaus hat es umfassend beschrieben. Nachlesbar in allen Fachbüchern, die sich, von Fachautoren recheriert und verfasst, mit dem Eisenbahnwesen in Deutschland befassen.
Im EK-Verlag gibt es zudem Bücher zu den wichtigsten Dampflokbaureihen in Deutschland.
Ich kann es nur bekräftigen:
Lesen von Fachliteratur bildet auch Eisenbahnlaien.
Schönen 1. Advent.
Helge
 
Klaus, recht herzlichen Dank für deine Erläuterungen und die Zeit ,die du dir dafür genommen hast!

Helge ein wiederholter allgemeiner Hinweis auf Fachliteratur nützt mir wenig.
Bücher zu meinen Lieblingsbaureihen habe ich bereits von VGB- und EK-Verlag, auch zur Bubikopf. Sowas ist mir also nicht unbekannt und in Zeiten von Internet weiß auch ein Laie noch, dass es sowas wie Bücher über Eisenbahn gibt.
Ich habe aber keinen Antrieb solange Bücher auf Verdacht zu kaufen bis endlich vielleicht welche dabei sind, die die Fragen beantworten.
Ein Hinweis von Wissenden, welches angefragte Themen in welchem Buch oder Büchern behandelt wäre da hilfreicher.
Und die 24 interessiert mich eigentlich nicht so sehr, mir war diese Frage im Vergleich zur 24 nur aufgekommen, als ich das Büchlein über die 64 gelesen habe. In dem Buch steht aber eben auch nix zum direkten Vergleich zur 24 und somit schon garnicht welche Hintergründe diese "Doppelentwicklung" bedingt haben können oder die ganze betriebswirtschaftliche Sichtweise bei der Beschaffung.
Gruß Tino
 
@Stovebolt , ich habe Dich nicht explizit angesprochen. Selbst das Transpress-Dampflok-Archiv aus finsteren DDR-Zeiten bietet ausreichend Faktenlage.
Die heutigen jungen Menschen leiden aber darunter, viel zu sehr im Internet unterwegs zu sein. Deshalb mein wiederholter Versuch, die analogen Quellen anzupreisen.
Wir müssen hier nicht auf Sprung helfen. Wir tun es halt gerne, aber auch mit gewisser Ironie. Klaus und ich sind noch analog groß geworden. Hatten natürlich den Vorteil, alten Hasen Wissen abzuluchsen. Dafür haben die uns noch manche Dreckarbeit machen lassen. Und wir waren glücklich darüber. Egal ob schmale oder regelspurige Schiene. Es hieß, zuhören, mit den Augen klauen. Hierarchien respektieren.
Das war die alte Eisenbahn.
 
Neben den Betriebsstoffen kommen aber auch noch andere Wartungskosten dazu. Deshalb hatten die Preußen so wenige Mehrzylinderloks.
Auch die Überhitzer, welche die Kosten der Betriebsstoffe senkten, kamen aus dem Grund bei den kleinen Loks nicht sofort flächendeckend.
Oder Kohlestaub, Turbinen, Kondens. Alles Günstig im Einkauf der Betriebsstoffe, aber dennoch teurer im Unterhalt.
 
@Stovebolt , ich habe Dich nicht explizit angesprochen. Selbst das Transpress-Dampflok-Archiv aus finsteren DDR-Zeiten bietet ausreichend Faktenlage.
Die heutigen jungen Menschen leiden aber darunter, viel zu sehr im Internet unterwegs zu sein. Deshalb mein wiederholter Versuch, die analogen Quellen anzupreisen.
.....

Man sollte die jungen Leute nicht unterschätzen und schon gar nicht alle über einen Kamm scheren.

Ich kenne da genug Gegenbeispiele..... aber der Datenschutz :)

Natürlich gibt's bei den Jungen auch Dödel ..... wahrscheinlich genauso viele, wie bei den Alten. Die Jüngeren könnte man aber eher zur Vernunft bekehren... ein alter Pudel lernt nix mehr.

Grüße Ralf
 
Guten Abend,
Klaus, recht herzlichen Dank für deine Erläuterungen und die Zeit ,die du dir dafür genommen hast!
...
Ein Hinweis von Wissenden, welches angefragte Themen in welchem Buch oder Büchern behandelt wäre da hilfreicher.
Und die 24 interessiert mich eigentlich nicht so sehr, mir war diese Frage im Vergleich zur 24 nur aufgekommen, als ich das Büchlein über die 64 gelesen habe. In dem Buch steht aber eben auch nix zum direkten Vergleich zur 24 und somit schon garnicht welche Hintergründe diese "Doppelentwicklung" bedingt haben können oder die ganze betriebswirtschaftliche Sichtweise bei der Beschaffung.
Gruß Tino
durchaus, durchaus :) Es kommt bei mir darauf an, wie der Fragende die Frage stellt. Und dass die Antwort etwas komplexer ist, war wahrscheinlich klar. Ich hatte eher keine Zeit zum Verfassen der Antwort, aber das möge dem Wert derselben keinen Abbruch tun.

Deine Feststellung, dass Hinweise für den Inhalt, die Ausrichtung eines Druckwerkes hilfreich sind für einen Erwerb, ist richtig. Denn die Autoren schreiben oft aus persönlichen Vorlieben und mit persönlicher Tendenz, auch mit fachlichem Ausschlag in dieser oder jener Richtung. Da kann man schon enttäuscht sein von dem, was man dann liest.
... Nachlesbar in allen Fachbüchern,
...
Lesen von Fachliteratur bildet auch Eisenbahnlaien.
Schönen 1. Advent.
Helge
Dort muss ich aus eigener Erfahrung und eigenem Interesse etwas widersprechen. Denn erstens: siehe oben. Und zweitens enthält auch gute Fachliteratur selten Hinweise auf Dinge, die man dann doch nicht gemacht hat ... aber gerade in diesem Punkt entsteht Verständnis, wie unsere Vorfahren ihre Entscheidungen gefällt haben. Beispiel: Im Buch zur 19.10 hat Horst Troche in einem Halbsatz so beiläufig erwähnt, dass man eben mit der klassischen Kolbendampfmaschine im Direktantrieb auf die Räder nicht mehr weiterkommen wird. Die Geschwindigkeit ist begrenzt und die Belastung des Oberbaus zu hoch. Durchaus lange habe ich dann Beiträge gesucht, die diese Erkenntnisse unterfüttern. Mittlerweile bin ich auf drei Aufsätze von Nordmann, Meineke und Neesen aus der "Lokomotive" gestoßen, die das belegen und erklären. Die werden allerdings von den "Dampflok-Fans" selten bis gar nicht zitiert ... und so gibt es viele Bausteine, in denen ich mir das seinerzeitige Geflecht zusammensetze und bei Interesse eben auch ein paar Details preisgebe. Wobei das ausdrücklich nicht "mein" Wissen ist, sondern nur wieder ausgegrabenes unserer Vorfahren!

Und wenn ich halt Modellbahn nur etwas sammle und stattdessen eher meine Bibliothek gezielt ausbaue, ist das mein Reiten eines Steckenpferdes. Hin und wieder hat schon der eine oder andere freundliche Mitbürger davon profitieren können, wobei ich Unterstützung keineswegs als Einbahnstraße sehe. Und ich habe - dies als Eigenwerbung - bei meinen Vorträgen auf der Dresdner "Erlebnis Modellbahn" immer wieder Erstaunen im Publikum hervorgerufen, weil ich eben nicht nur Gelesenes wiedergekäut habe, sondern mit Schlussfolgerungen und weiter gesuchten Informationen angereichert und weitergedacht habe.

Um hier zurück zu kommen: Diese Lokfamilie "24 - 64 - 86 - G8.1 mit Laufachse" fasziniert mich schon länger. Deshalb machte es mir Spaß, zu antworten.

Beste Grüße

Klaus
 
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