Zur Berliner S-Bahn gibt es ja reichlich Literatur, etliche Webseiten mit diversen Informationen und noch viel mehr.
Ich möchte hier eher auf die Dinge bei der S-Bahn eingehen, die mir im Laufe von 40 Dienstjahren aufgefallen sind.
Vielleicht auch auf ein paar spezielle Eigenheiten, auf die man bei einem eventuellen Nachbau in TT achten sollte.
Für viele Berliner mögen das alltägliche Gegebenheiten sein, vielleicht gibt aber auch hier für altgediente S-Bahner noch einen Erkenntnisgewinn.
Im Stellwerk Bkb in Berlin-Blankenburg, gegenüber dem S-Bahnsteig, gab es bis 2004 zwei Arbeitsplätze. Den Stellwerkswärter W 1 der Fernbahn und den Fdl B 2 der S-Bahn. Der Stellwerksmeister der Fernbahn konnte ausnahmsweise durchaus auch mal die S-Bahn bedienen, wen der Fdl mal auf die Toilette musste. Genauso war sich der Fdl der S-Bahn nicht zu fein, den Weichenwärter der Fernbahn zu vertreten, wenn der gerade Bockwurst aus der Mitropa holte.
Die Zugleitung/Odl (Oberdispatcherleitung) der S-Bahn hatte in den 70-er Jahren keine Möglichkeit das aktuelle Verkehrsgeschehen zu überwachen. Waren die Züge pünktlich, hatten sie Verspätung, gab es Störungen? Sie waren auf die Meldungen der Fdl angewiesen.
Fernmündliche Zugmeldungen für jeden Zug, wie bei der Fernbahn üblich, gab es bei der S-Bahn auf zweigleisigen Strecken im Regelverkehr nicht. Man ging vom starren Regelfahrplan aus. Erst bei Verspätungen ab 3 Minuten musste gemeldet werden. Ebenso bei Ausreihungen.
Nur, welcher Fdl gibt schon gerne zu, dass er mal eben einen Zug für 2 Minuten am Einfahrsignal "vergessen" hat?
Deshalb gab es bei der Berliner S-Bahn ein Kontrollelement: Die Funküberwachung.
Die Züge wurden von den örtlichen Aufsichten in der Regel per UKW-Funk abgefertigt. Normalerweise stand die Aufsicht direkt auf dem Bahnsteig und fertigte die Züge per Funk ab. Die Wortlaute für den Funkverkehr waren in der DV 432 (SRB) vorgegeben.
Die Aufsicht betätigte also nach dem beendeten Fahrgastwechsel und dem Warnruf "Zurückbleiben!" die Sendetaste des Funkgerätes:
"Zug Otto (Zuggruppe) nach Spinderlsfeld (Zielbahnhof) Türen schließen"
Daraufhin betätigte der Triebfahrzeugführer die Türschließeinrichtung. Waren die Türen geschlossen, ging es weiter:
"Zug Otto nach Spindersfeld abfahren."
Dann setzte der Triebfahrzeugführer seinen Zug in Bewegung. Die Aufsicht beobachtete den ausfahrenden Zug bis zum Ende der Bahnsteigkante um im Notfall noch einen Haltauftrag zu geben.
Dieser UKW-Funkverkehr konnte durch diverse Kräfte überwacht werden.
Im Stellwerk Bkb hing eine geheimnisvolle Kiste mit den Maßen 30 x 25 x 10 cm mit einer Antenne oben drauf an der Wand.
Sie war an das Basa-Netz der DR angeschlossen. Damit konnen die überwachenden Kräfte der Odl S-Bahn, die S-Bahn-Dispatcherleitung sowie die Dienstvorsteher der Bahnhöfe, Vorsteher und Gruppenleiter Triebfahrzeugbetrieb der S-Bahnbetriebswerke, Betriebskontrolleure, Fahrzeugkontrolleure und Instrukteure den aktuellen Funkverkehr im Bf Berlin-Blankenburg abhören.
Ein deutlich vernehmbares Klicken des Relais in dieser Kiste bedeutete für den Fdl, dass irgend jemand die Funküberwachung aktiviert hatte. Ein Hinweis an die Aufsicht über den OB a la "Feind hört mit" verbesserte die manchmal doch recht laxe Funkdisziplin erheblich. Die Funküberwachung von Blankenburg war unter der Basa-Nr. 45586 zu erreichen, die von Pankow unter Basa Nr. 45585.
Bei komplizierten Betriebssituationen, die nicht gleich von den überwachenden Kräften bemerkt werden sollten, wurde auch mal gern der Basa-Anschluß des im gleichen Stellwerksraum befindlichen Stellwerksmeisters W 1 der Fernbahn zum Blockieren der Funküberwachung benutzt. So konnte keiner Mithören.
Die Funkfrequenzen waren bis zur Einführung des Bündelfunks bei der Berliner S-Bahn:
Kanal 1: 167,225 MHz - Abfertigungsfunk
Kanal 2: 166,850 MHz - Rangierfunk
Kanal 3: 167,325 MHz - Betriebsfunk (Tf - Fdl)
Kanal 4: 166,490 MHz - Betriebsfunk (Tf - Betriebsleitstelle - Zugleitung Nord/Süd)
Kanal 5: 166,610 MHz - Instandhaltungsfunk (Verkehrsmeister, Stellwerksmeister, Zugfunk, Kontrollkräfte)
Neben Blankenburg und Pankow ist die Funküberwachung des Abfertigungsfunks für die Bahnhöfe Plänterwald, Grünau, Jannowitzbrücke und Prenzlauer Allee nachgewiesen worden. Ob es noch weitere gab?
Der Beweis des Abhörens des Abfertigungsfunks der S-Bahnaufsicht in Berlin-Blankenburg auf 167, 225 MHz mit dem UET 720.
Mathias