Ein Besuch in Randemünde Mitte der 80er Jahre
Mittlerweile sind seit unserem letzten Besuch in Randemünde gut 10 Jahre ins Land gezogen. Manchmal werden die Prioritäten eben anders gesetzt... Aber nun wollen wir erkunden, was von der Kleinbahnherrlichkeit um Randemünde geblieben ist. Schon die Anreise war ganz anders als sonst. Wieso werden hier im morgendlichen Berufsverkehr Doppelstockeinheiten eingesetzt? Die Antwort war schnell gefunden. Der Hafen wurde in den letzten Jahren groß ausgebaut. Nun arbeiten hier so viele Menschen (auch Werktätige genannt), dass im Berufsverkehr die Reko-3achser nicht mehr ausreichen. Mit so einem Zug sind wir morgens in RDE angekommen.
Warten wir noch den D-Zug ab, welcher im Sommerfahrplan täglich in Randemünde endet. Er ist bespannt mit der 118 731-9 des Bw Rostock. An der Ordnungsnummer erkennt der Fachmann, dass die Lok bereits auf stärkere Motoren umgebaut wurde.
Doch eigentlich interessiert uns die Nebenbahn nach Schafshagen. Im Haltepunkt Püttkow trauen wir unseren Augen nicht. Ist das nun doch der Abbauzug? Nein. Die Oberbaumängel der Strecke werden beseitigt. Aus der angestrebten Stilllegung wurde nichts. Erinnern wir uns. Ab Anfang der 80er Jahre gab es in der DDR eine Energiekrise (die auch nicht mehr aufhörte). Dieselkraftstoff musste unbedingt eingespart werden. Am besten durch den Energieträger Braunkohle ersetzen. Nun wurden nicht in allen Bahnbetriebswerken Dampfloks reaktiviert, aber die Reichsbahn bekam zusätzliche Aufgaben im Güterverkehr. Alles, was weiter als 50 km transportiert wurde, sollte mit der Bahn bewegt werden. Ok, es gab auch Ausnahmen, aber prinzipiell wollte man das so. Der Fahrauftrag für den LKW war fast wichtiger als der Führerschein, stand im Fahrauftrag doch, wohin man überhaupt fahren durfte.
Also wurde unsere Strecke nach Schafshagen wieder in Schuss gebracht und weiter betrieben.
Damit war auch klar, dass der Abzweig Pko in Betrieb bleiben musste. Hier wurde eine Betonmaststation durch das Energiekombinat im Zuge des Umbaus des 20-kV-Netzes errichtet.
Da erst übermorgen der Schienenersatzverkehr aufgrund der Bauarbeiten beendet sein würde, sehen wir uns noch ein wenig in Randemünde um. Im Kleinlokschuppen ist eine Lok der BR 101 beheimatet. Auch hier ist an der Ordnungsnummer erkennbar, das der originale Motor bereits ersetzt wurde.
Am Güterschuppen übernehmen 2 W50 des VEB Ostseetrans die Verteilung der per Bahn angekommenen Güter im Nahbereich.
Da nun wieder verstärkt auf Braunkohle gesetzt wurde, gab es an der Ladestraße immer Waagons mit Rohbraunkohle zu entladen. Was war das für ein Gelumpe. Es war gar nicht so einfach, damit einen Kessel zu heizen. Man konnte das Feuer auch ersticken...
Dem Eisenbahnfreund fällt außerdem aus, dass die Es-Wagen oft einheitlich braun gespritzt wurden. Die Zeit der schwarzen Fahrgestelle war vorbei.
An der Kohlenhandlung war ein neuer Multicar zu bewundern. Wirklich neu? Kann nicht sein. Die M22 wurden ja nur bis Mitte der 70er Jahre gebaut. Dieses Exemplar kommt bestimmt gerade aus der GR.
Und da wir gerade bei den Straßenfahrzeugen sind. Die Famulus-Traktoren sind aus dem Bestand der LPG alle ausgeschieden. Aber privat waren die Trecker noch sehr begehrt.
Eine fast neue Lok der BR 111 wurde im Güterzugdienst gesichtet. Die 111 007 gehört zum Bestand des Bw Wittenberge.
Nach dem Bahnhofsbild noch einmal auf der Strecke.
Außerhalb des Berufsverkehrs konnte noch die 110er mit dreiachsigen Rekowagen beobachtet werden. Der Packwagen hat seine beste Zeit auch schon hinter sich. Das Trittbrett ist ebenso überflüssig wie die Scheiben der Dachkanzel. Dort wurden inzwischen Bleche eingeschweißt. Im Unterstand auf der Wiese steht ein RS 09. Nach Aussonderung bei der LPG ebenfalls für die private Wirtschaft heiß begehrt.
Nach Beendigung der Gleisbauarbieten in Püttkow konnte man wieder auf der Schiene nach Schafshagen reisen. Hier wird eine Ferkeltaxe der ersten Lieferserie mit den Panoramascheiben nebst Beiwagen eingesetzt.
Auf dem Weg zum Endbahnhof kommen wir an der Erdölförderung vorbei. Was wurde nicht alles versucht, um an das bisschen schwarze Gold heranzukommen.
Im Endbahnhof können wir beobachten, wie Dünger aus einem Waggon entladen wird. Nanu, ein blauer ZT 300? Ja, das gab's auch. Der Autor fuhr selbst so einen aus einem geplatzten Exportauftrag. Der hatte sogar "Westreifen" aufgezogen.
Nahgüterzüge wurden meist von einer Diesellok der BR 106 befördert. Hinter der Lok läuft der Güterzugbegleitwagen.
Auf dem Rungenwagen befinden sich Betonwinkelstützen. Die werden auf der Baustelle der LPG benötigt, wo ein neues Silagesilo gebaut wird. Den Transport vom
Bahnhof übernimmt ein Gespann aus ZT 300+HW 80+HW 60.
Der Schüttgutwagen mit der Kohle sowie der Flachwagen mit dem neuen W50-Fäkalienfahrzeug müssen nach Schafshagen. Das übernimmt eine Lok der BR 102.
Dort angekommen, wird alles passend zur Entladung rangiert. Der Flachwagen kommt an die Kopframpe und die Kohle wird per Förderband entladen.
Wenig später ist der neue W50 auch schon vom Waggon auf die Rampe gefahren, während am Bahnübergang der blaue Trabant Kombi (von meinem Opa ?!) wartet.
Mit diesem Bild des letzten (Triebwagen-) Zuges des Tages geht unsere Zeitreise zu Ende.
Wie die Geschichte nicht nur bei der Bahn weiter ging, ist ja allen hinlänglich bekannt.
Für weitere Folgen fehlen mir allerdings die Fahrzeuge. Seit dem Aufbau vor ca. 8 Wochen habe ich nun mehrmals den dargestellten Zeitraum verändert und allen meinen Fahrzeugen ein wenig Auslauf verschafft.
Ich will nicht sagen, dass mich die moderne Bahn nicht interessiert. Mir gefällt die Fahrzeug- und Farbenvielfalt durchaus. Aber auf unserer Trasse von Püttkow nach Schafshagen würden heutzutage bestenfalls Radfahrer unterwegs sein und zwischen dem Fiddle und Randemünde unter optimalen Voraussetzungen vielleicht ein (Privatbahn-)
Triebwagen pendeln. In Randemünde würde es dann nur noch ein Bahnsteiggleis mit Prellbock wie z.B. in Barth geben. Ach nein, dazu habe ich keine Lust...