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Ende einer Ära in Nordengland

Rekoboy

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York, GB
Die zum Teil eingleisige Strecke York-Knaresborough in Nordengland gehörte zu den allerletzten Network-Rail-Strecken in Großbritannien (d.h vom staatlichen Netzbetreiber NR betriebene Strecken), deren Betriebssicherheit durch den sogenannten Electric-Token gewährleistet wird. Diese Strecke wird relativ dicht befahren - es gibt stündlich von 06.00 Uhr bis ca. 23.00 einen oft seht gut besetzten Triebwagenzug, meistens einen der BR 170, in beiden Richtungen. Die ursprünglich zweigleisige Strecke York-Knaresborough-Harrogate stand Mitte der 1960er Jahre auf Dr. Beechings Abschußliste - zweimal -1964 und 1966 - wurde mit einem Stilllegungsverfahren angefangen, aber die Proteste, die dadurch entstanden, führten doch zum Überleben der Bahn, aber Anfang der 1970er Jahre wurde als Sparmaßnahme zwischen Knaresborough und Cattal und zwischen Hammerton und Poppleton (kurz vor York) ein Gleis entfernt. Um die Kosten weiter zu dämpfen, wurde statt auf Elektronik auf spätviktorianische Technik zurückgegriffen und den eingleisigen Streckenblock mit Electric-Token eingeführt. Ein Token ist der Beweis für den Triebfahrzeugführer, daß die eingleisige Strecke für den Zug freigegeben wurde. Letztes Wochenende war damit Schluß. Vorerst bleibt das kleine Stellwerk in Cattal (siehe Fotoserie) erhalten, aber eine Art elektronischen Streckenblock wird zwischen Cattal und Knaresborough und zwischen York und Hammerton eingeführt. Cattal verliert die mechanischen Signale, die Weichen werden in Zukunft elektrisch gestellt und der Bahnübergang wird modernisiert. An drei Wochenenden wurde die Zugverbindung (Leeds) Harrogate-York unterbrochen und einen Schienenersatzverkehr eingeführt. Ich durfte in den letzten Tagen des Electric-Token-Blocks eine Stunde mit dem freundlichen Stellwerker in Cattal verbringen - wie man sieht ist das Innenleben des Stellwerks eine kuriose Mischung aus dem Modernen und dem Viktorianischen. Der Stellwerker erzählte mir, der jetzige Token-Apparat sei eine Leihgabe vom Eisenbahnmuseum in York! Der Token-Apparat, der jahrelang in Cattal im Einsatz war, ging vor einer Weile kaputt, und es gab zur Reparatur weder Ersatzteile dafür noch Personal mit einschlägiger Erfahrung in der Signalwerkstatt. Sollte vor dem Umbau ein Zug über die eingleisige Strecke nach Knaresborough fahren, wurde vom Stellwerker in Cattal vom Stellwerk in Knaresborough die Freigabe der Strecke per Klingelcode erbeten. Wurde die Strecke freigegeben, konnte der Stellwerker in Cattal einen Messingstab aus dem Token-Apparat ziehen und dem Triebfahrzeugführer übergeben. Am Ende des eingleisigen Streckenteils in Knaresborough wurde der Stab abgegeben und vom Stellwerker in den dortigen Token-Apparat eingesteckt, und den Empfang des Stabs nach Cattal zurückgemeldet. So wurde die Strecke wieder freigegeben und konnte wieder befahren werden. Jeder Token-Apparat enthält bis zu zehn Messingstäben, damit mehrere Züge hintereinander in eine Richtung fahren können.
Cattal Stellwerk u Bahnübergang.jpg Cattal Hebelbank.jpg Cattal Token-Apparat.jpg Cattal der Stellwerker übergibt gleich das Stäbchen.jpg Cattal Triebwagenzug aus Ri. Knaresborough.jpg Cattal Handbetrieb.jpg
 
Das erinnert mich an meine Zeit als Heizer und Lokführer auf der FR.:english: Token exchange in Minffordd, Rhiw Goch, Tan-y-Bwlch, Dduallt,Tan-y-Grisiau und Blaenau.
 
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Vielen Dank für diesen Beitrag!
Heute sind bereits elektronische Stellwerke (ESTW) „alt“ und es werden digitale Stellwerke (DSTW) gebaut.
Einerseits verschwindet Stück für Stück Technikgeschichte. Diese alte Technik konnte man oft durch Anschauung verstehen und davon recht leicht lernen.
Andererseits bringt der Fortschritt mehr Effizienz, geringere Kosten oder höhere Leistungsfähigkeit.
Bei uns sind es die mechanischen Stellwerke und teilweise die Relaisstellwerke (RSTW) mit ihrer vollständig nachvollziehbaren Sicherheit, welche verschwinden.
Im Britischen ist es das Token-Verfahren, welches der Elektronik bzw. Datentechnik weicht.
 
Lustig!
Das wird uns immer erzählt, daß die neue Technik effizienter ist.

Und warum wird Eisenbahnbau utopisch teurer?
Für das Geld, was heute ein km Bahn kostet, hat man früher ein kleines Netz geplant und gebaut. Vom Zeitrahmen gar nicht erst zu reden.

Irgendwie stimmt da was nicht. Evtl wird die spätere Effizienz vorher sehr teuer gekauft.

Grüße Ralf
 
naja, das sieben BZ die Eisenbahnen der BRD fernsteuern wäre mit Einheits-Stw Bauart 1898 nicht mgl..
Bei Nebenbahnen ist es gewiß anders.
...und solange nichts ausfällt und niemand vor Ort sein muß, ist es sehr gut ;)
Es ist auch bei diesem Beispiel die Gradwanderung zwischen Bezahlbarkeit und Erhaltung (Museum).
Meine Meinung: Beides hat seinen Zweck und sollte seinen Platz haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Problem ist nur: Wenn eines der zentralen Stellwerke ausfällt (Blitzschlag, Sabotage, egal) hat halb Deutschland keine Eisenbahn.

Wenn früher son altes Teil ausfiel gab’s Verspätungen auf der betreffenden Strecke.

Die Bahn war früher ein Netzwerk. Heute hat sie im Spiegel jemand mit dem Internet verglichen.

Schafft man mit wenigen Zentralen die Struktur ab, wird das System anfällig.

Schon klar, daß man aus der Bahn kein Museum machen soll - aber ist Zentralisierung am Ende nachhaltig im Hinblick auf die Zuverlässigkeit?

In Berlin haben Chaoten im Frühherbst wieder einen Kabelschacht abgefackelt. Eine Woche war die Ringbahn teilweise ausgefallen … nur mal als Beispiel.

Grüße Ralf
 
...wobei ein Ring zuverlässiger ist als ein Stern - das war nun viel Berlin :)
womit wir wieder beim Token wären..es gibt auch diese Ringe als Token, bspw. in Indien

Diese britische Staffelstabfübergabe zur Regelung der Zugfolge ist eine spannende Sache neben dem britischen Signalsystem (station, track).

überhaupt: Gibt es noch diese ursprügliche Form der Token in Großbritannien?
 
Ein herrlicher Bericht, insbesondere die Schrankenanlage ist faszinierend. Moderne Technik muss allerdings nicht zu mehr Sicherheit führen, siehe Bad Aibling. Ansonsten ist es wirklich schade, dass ihr Briten nicht mehr in der EU dabei seid. Wir werden Euch vermissen. Allerdings scheint es der Autor des Beitrages gar nicht erwarten zu können, die Fotos sind bereits auf den 11.12.2020 datiert.
 
Mein (japanischer) Fotoapparat gibt das Datum im amerikanischen Format an - d.h Monat zuerst, dann der Tag. Die Fotos stammen vom 12. November. Ich bin leider kein Zeitreisender! ;) Und danke, Zeus, für das Bedauern zum EU-Austritt. Ich bin erschüttert über die Dummheit und die Engstirnigkeit mancher meiner Mitbürger hier in GB! :confused::mad:
 
Na ja, wenn man die Geschichte der Beziehung zwischen den Briten und den Festlandeuropäern betrachtet, waren die Briten nie richtige "Europäer". Immer waren sie nur halbherzig dabei und wollten unbedingt ihre Extrawürste.

Vielleicht brauchen sie ein paar Jahre Abstinenz, um festzustellen, dass ihnen doch etwas fehlt. Die Zeit sollte auch Festlandeuropa nutzen, um sich neu zu sortieren.

Ich hoffe nicht, dass bei der Scheidung zuviel Porzellan zerschlagen wird.
 
Das Datum in GB hat leider viel mit der Innenpolitik dort zu tun.
@Rekoboy
Ja, es tut mir auch leid. Meine Freunde in Gwynedd ( das sehr in Sachen Infrastruktur von der EU profitierte und ich habe das Vorher ab 1976 auch noch gesehen ) haben mich halb ernst, halb im Scherz gefragt, ob ich sie nicht adoptieren könnte...
 
Danke, Rekoboy. Sehr schöner Bericht! Ich kenne mich ja mir der Eisenbahn auf der Insel nicht wirklich aus, aber ist / war es üblich, an Bahnübergängen wechselweise das Gleis oder die Straße zu sperren? Auch die Zeitreise in dem Stellwerk ist bemerkenswert, ganz im Hintergrund gibt's dann doch schon einen Flachbildschirm :applaus:
 
@TTbauer...Die altmodischen (sprich viktorianischen) Schrankenanlagen sperren entweder die Bahn oder die Straße und werden entweder per Hand bedient, wie in meinem Beitrag in Cattal, oder werden vom Stellwerk aus mittels Schubstangen bedient. Die modernen (Halb)Schranken sind genauso wie die im übrigen Europa oder Nordamerika. Anbei zwei weitere Fotos - einmal mechanisch betätigte Tore/Schranken und einmal moderne Schranken - beide in der Nähe von York
Kirkham.jpg Starbeck.jpg
 
Problem ist nur: Wenn eines der zentralen Stellwerke ausfällt (Blitzschlag, Sabotage, egal) hat halb Deutschland keine Eisenbahn.

Wenn früher son altes Teil ausfiel gab’s Verspätungen auf der betreffenden Strecke.

Die Bahn war früher ein Netzwerk. Heute hat sie im Spiegel jemand mit dem Internet verglichen.

Schafft man mit wenigen Zentralen die Struktur ab, wird das System anfällig.

Schon klar, daß man aus der Bahn kein Museum machen soll - aber ist Zentralisierung am Ende nachhaltig im Hinblick auf die Zuverlässigkeit?

In Berlin haben Chaoten im Frühherbst wieder einen Kabelschacht abgefackelt. Eine Woche war die Ringbahn teilweise ausgefallen … nur mal als Beispiel.

Grüße Ralf

Man darf aber Zentralisierung nicht mit Modernisierung gleichsetzen. Das so wenige Zentralen das Bahnnetz steuern und regeln ist sicher dem aktuellen Modernisierungskonzept der Bahn geschuldet. Da wurde offensichtlich mit der Konzentration von Automatisierungsfunktionen auf wenige Zentralen stark übertrieben.
 
Alles eine Frage der Zielfunktion. Wenn man auf fahrende Züge und zufriedene Beförderungsfälle finanziell nicht angewiesen ist (Nahverkehr), muss ich auch keine 100% abbilden. Spare ich auf der Ausgabenseite Geld, für das es eh (fast) keine Unterschiede bei den Einnahmen gibt.
 
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