Bastelei Nummer 28: Das Bahnhofsgebäude von Feucht
Geschichte:
Mit dem Bau der Hartengrund-Dreggsch-Überwalder Strecke entstand 1886 auch der
Bahnhof Feucht. Am Berghang und etwas oberhalb des namensgebenden Dorfes gelegen erreichte er nie große wirtschaftliche Bedeutung. Neben bescheidenem land- und forstwirtschaftlich geprägtem Güterverkehr für die umliegende Gegend kam ihm vor allem eine Funktion als Ausweichstelle zu. Die "Bummelzüge", welche als PmGs von Hartengrund bis Dreggsch sämtliche Haltestellen abklapperten und dabei kaum schneller als ein Fuhrwerk waren, hätten ein Hindernis für den durchgehenden Kohleverkehr dargestellt. Daher richtete man auf ungefähr halber Fahrzeit - eben bei Feucht - eine Ausweiche ein. Die Lokalzüge wurden hier zur Seite genommen, um einen oder zwei Züge abzuwarten, bevor sie erneut die Strecke in Beschlag nahmen. Damit lag es nahe, von diesem Mittelpunkt aus auch einige Kilometer der Strecke zu warten. Die durch die langen Aufenthalte möglichen Ladearbeiten konnten ebenfalls stets helfende Hände gebrauchen.
All dies zusammen führte dazu, dass Dreggsch ein kleines Bahnhofsgebäude erhielt. Der Bau war für sächsische Verhältnisse äußerst sparsam ausgeführt - ein einstöckiger Holzbau, nicht unterkellert und ohne jeden Schmuck, bot nur drei karge Räume an. Einer davon war die
"Dienstwohnung" - eine düstere Kammer, welche diesen Namen kaum verdiente. Sie stand - natürlich gegen Abzug eines Teiles des Lohnes - dem jeweils amtierenden Bahnhofsaufseher von Feucht zu, welcher seine Pflichten "nach den betrieblichen Erfordernissen" zu erledigen hatte (das hieß im Zweifel rund um die Uhr).
Der zweite Raum diente als Arbeits- und Aufenthaltsstätte für die Feuchter Bediensteten. Das waren immerhin drei, unterstanden dem Aufseher doch ein Packer, welcher weite teile der Güterverladung zu leisten hatte (Lieblingsstelle: Düngergrube), sowie ein Weichenwärter (welcher sehr viel mehr Strecke als Weichen zu warten hatte). Letztere beiden waren arme Schweine der miesesten Besoldungsklasse und ertrugen ihr Dasein allenfalls durch ein schlichtes Gemüt in Verbindung mit der einen oder anderen Flasche "Finsterbräu" im Schichtverlauf.
Das Kabuff in der Mitte diente als Lager und winzige Werkstatt für einfachste Arbeiten, um Ausbesserungen rund um den Bahnhof durchführen zu können.
Um 1894 zog ein aufstrebender junger Bediensteter, ein gewisser Morbus Lipwig, samt Familie darin ein. Sein Vorgänger hatte die Liebe zur Eisenbahn gar zu physisch ausgelebt und sich bei einer Streckenbegehung großflächig über einen Güterzug verteilt - ein Vergehen, für welches er eigentlich 12 Tage Strafdienst in der Ausschlackung hätte leisten sollen, wenn er in Form gewesen wäre. Zwei Jahre später - zum dargstellte Zeitpunkt eines Sommertages 1896 - hatte Familie Lipwig sich längst eingelebt. Vater Morbus hatte frische Eier ergattert, welche Gattin und Tochter gerade in ein Omelette verwandelten. Die grün Uniformierten Herren fertigten derweil noch den Mittagszug ab - einer stellte immerhin vier mal die Weichen, der zweite warf ein paar Pakete in den
Wagen und der dritte durfte ganz eifrig dem Zug zuwinken - dann ging es zu Tisch. Erschöpft von der recht harten Arbeit freute man sich auf die bevorstehende Betriebsruhe, bevor der Bummelzug Dreggsch erreichen und der Gegenzug an ihnen vorbei talwärts donnern sollte. Verklärte Kleinbahnidylle vom Feinsten eben.
Das Gebäude von außen:
Bau des Gebäudes:
Es handelt sich um einen Bausatz von Moebo - "
TT- 901274 Aufenthaltsraum / Baracke / Werkstatt". Dieser wurde weitgehend nach Anleitung aufgebaut. Abweichend habe ich eigene Schornsteine gefertigt (siehe Inneneinrichtung) und das mitgelieferte Teerpappendach durch eine altdeutsche Schieferdeckung von
https://www.modellkreationen.de/ ersetzt - wir sind hier immerhin mitten im Erzgebirge! Den Bausatz kann ich wirklich nur in höchsten Tönen loben - alles passt absolut perfekt und die gelaserten Oberflächen von Moebo sind für mich eine absolute Referenz in der Branche. Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß dabei, wirklich flink ein unglaublich schickes Gebäude zusammen zu setzen und mich an der absolut hervorragenden Gestaltung zu erfreuen. Die Anleitung ist umfangreich genug und lässt wenige Fragen offen. Wie man in den Bildern sieht, fehlen noch die Treppe am Eingang und etliche Dachsparren. Zur Treppe hatte ich eine Rückfrage an Moebo, welche leider - wie alle meine Mails dorthin - ohne Antwort blieb. Das wird mich aber keineswegs davon abhalten, künftig noch weitere Moebo-Sachen bei mir zu verbauen! Die Sparren wären der Innendetaillierung im Weg und folgen daher erst, wenn der endgültige Einbau in der Anlage erledigt wurde.
Nach dem Zusammenbau inkl. Einbau der Schornsteine erfolgte eine leichte Patinierung mit Pulverfarben. Unter Beachtung der für den gesamten Bahnhof vorherrschenden Windrichtung wurde vor allem die Wetterseite mit einigen Moosen bedacht, dazu bekamen die Schornsteine nach inzwischen 10 Heizperioden etwas Siff ab. Das Dach wurde weiterhin mit Pastellkreide akzentuiert. Mehr war an der Außenseite nicht zu tun - die leicht gealterte Holzoptik ist einfach schon genial ab Werk.
Das Gebäude von innen:
Das Innere ist zweifellos der Clou an der Sache. Nach Abnehmen des Daches wird ein vollständig eingerichtetes, detailliertes Ensemble sichtbar, welches obige Geschichte in die miniaturisierte Realität umsetzt. Frau Lipwig greift gleich wieder nach ihren Omelettes, Töchterchen genießt den offenbar schulfreien Tag und allgemein herrscht ein lebendiges Chaos.
Das Häuschen beherbergt neben den bereits vorgestellten Möbeln der Fa. Quack & Salber (Bett, Regal, Bank) auch viele Möbelstücke von
Modellbahn Union und
@RAIL N SCALE . Beiden könnte ich am liebsten die ganze Hütte leer kaufen, so toll sind viele dieser kleinen Schmuckstücke! Die Möbel habe ich über die letzten zwei Monate hinweg Stück für Stück bemalt und teils zusammengesetzt. Befestigt sind die meisten kleinen Sachen mit "Noch hin & weg" - das Zeug ist wirklich gut, um noch mal umbauen zu können.
Zur weiteren Detaillierung habe ich unter anderem mehrere Eimerchen von Martin Haselhuhn im Haus versteckt, Streichhölzchen zu Brennholz verarbeitet und Rail'n'Scales Gepäckstücke-Sets je einmal in TT und N bestellt und als unterschiedlich große Aufbewahrungsmöglichkeiten des örtlichen Hausrats eingesetzt. Die Teller und Pfannen sind eigentlich
geätzte Fahrzeug-Spiegel von Hädl. Das
Telefon stammt ebenfalls von dort (ja, Sachsen nutzte kurz vor 1900 bereits recht gerne "elektrische Fernsprechapparate"). Das Messer und die Werkzeuge stammen von
@IoreDM3 (Ätzteile). Diverser weiterer Kleinkram ist sicher auch dabei.
Der Schornstein im Dienstraum besteht aus Säulen des Auhagen-Baukastensystems und war
hier schon mal Thema. Der gemauerte Küchenofen ist ein Eigenbau. Der Schornstein ist ein
Seuthe Nr. 117, aufgesetzt auf einem Sockel aus Polystyrol-Vierkantrohr (Evergreen). Ja, der raucht ganz ordentlich, wenn Frau Lipwig Feuer macht! Der Ofengrundkörper besteht aus demselben Vierkantrohr, ergänzt um formgebende Plastikschnipsel (Füße). Die gusseiserne Herdplatte und sämtliche Klappen und Luken sind schnöde Papp-Schnipsel, zum Teil zweilagig. Das Ganze wurde mit feinem Holzspachtel verputzt (sieht in echt wirklich genial aus!) und mit Pulverfarben behandelt. Für die Pappteile habe ich Farbpigmente in Spiritus gelöst.
Die Figuren stammen aus Preiser-Sets zum Selbstbemalen (siehe weiter oben). Die grünen Eisenbahner existieren natürlich auch schon - aber die werden später draußen vor der Tür stehen.
Epilog:
Mein "Puppenstübchen" hat jetzt die letzten drei Monate einen erheblichen Teil meiner Basteltätigkeit in Anspruch genommen. Vom Material her habe ich ca. den Gegenwert einer einfachen Schlepptenderlokomotive darin versenkt (aber auch viele Sachen für die Bastelkiste gewonnen). Von der Zeit her hätte man stattdessen auch eine kleine Spielanlage bauen können - komplett. Das war so alles nicht geplant. Der Moebo-Bausatz sollte einfach nur leer wie die meisten Modellhäuser den Bahnhof Feucht bereichern, aber spätestens beim Verlegen des mitgelieferten Fußbodens und dem Anbringen der Türklinken war es zu spät. Die Hütte sah einfach dermaßen geil aus - da musste was rein! Und wie das so ist, wenn Hobbys ausarten...
Das Ganze ist noch nicht 100% fertig.
Hier hatte ich nach Lampen gefragt und tolle Antworten bekommen. Ein Teil davon liegt halb fertig bei mir und wartet auf Einbau, der Rest ist immer noch im Zulauf. Wenn die Beleuchtung stimmt, kann das Dach geschlossen weren (Dachsparren).
Irgendwann kommt dann auch der Einbau in eine angemessene Umgebung, aber das wird eine andere Geschichte...