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Vorbild Moldava - Raureif!

Eine Weihnachtsgeschichte

30.11.2014
Gerade hatte sich noch der späte Herbst verabschiedet, indem die letzten welken Blätter von den Bäumen fielen. Und nun soll schon Vorweihnachtszeit sein? Weihnachtsstimmung ist mir irgendwie ferner denn je. Da hilft es auch nicht, dass Supermarktgänge seit September mit Süßwaren vollgestellt sind, einen alle gängigen Radiosender unablässig mit Weihnachtsgedudel beschallen, die Einkaufstempel pfundweise Werbebroschüren mit vermeintlichen Schnäppchen in meinen Briefkasten einwerfen oder die Leute Deko-Orgien mit blinkendem und glitzerndem China-Ramsch starten. Auch das mausgrau-trübe und trockene Hochdruckwetter mit zwei Plusgraden am ersten Adventswochenende war nicht geeignet, Weihnachtsgefühle hervorzuzaubern. Aber ich hatte am Freitag einen vielversprechenden Tipp erhalten, da geht irgendwas, da ist noch Luft nach unten. Fasziniert machte ich mich am Sonntagmorgen mit den Wetterdaten von Zinnwald vertraut: minus zwei Grad, Windböen bis 8 bft und Sichtweite 0 km. Ich schnappte meine Ausrüstung und machte mich auf den Weg. Hinter Geising wurde der einheitsgraue Himmel von aufliegenden Wolken abgelöst. Plötzlich war ich mittendrin im weißen Märchen - Raureif! Tagelang anliegende feuchte böhmische Luft hatte bei hier herrschenden Frostgraden alles mit dickem Reif überzogen. Nur der Boden präsentierte sich teilweise offen, denn geschneit hatte es bisher noch nicht. So erreichte ich meinen Startpunkt in Zinnwald.

Ich vermummte mich so gut es eben ging und setzte mich entlang der Straße in Bewegung. Später bog ich nach links auf den Hochmoorweg ab. Die trügerischen offenen Straßen- und Wegflächen waren mit einer dünnen Eisschicht bedeckt, so dass ich Mühe hatte, mich bei den mitunter starken Windböen auf den Beinen zu halten. In der Nebel-, Wind- und Reifhölle tauchte ein Haus auf, das ringsherum vereist war. In jedem Fenster leuchteten warm und anheimelnd erzgebirgische Schwibbögen. Jetzt flackerte Weihnachtsstimmung in mir auf. Ich stellte mir vor, nach dem Heimkommen dem prasselnden Holzfeuer im Ofen zu lauschen, im Kerzenschein und beim Duft eines Räucherkerzchens die Geschwister Caldarelli aus den Boxen erklingen zu lassen - So muss Weihnachten! (würde ein bekannter Großmarkt titeln). Im Verlauf passierte ich die DWD-Wetterstation und machte später einen Abstecher nach rechts zum Kleinen Lugstein. Auf dem Weg durch den lichten, vereisten Wald befürchtete ich, dass ich bald auf heulende Wölfe treffen würde. Aber hier heulte nur der Wind. Zurück auf dem Hochmoorweg folgte ich nun einer roten Wanderwegmarkierung über den Kreuzweg bis hinunter in die Talwanne von Rehefeld-Zaunhaus. Im Windschatten des Waldes ließ es sich angenehm laufen. Die Szenerie wechselte, da nur noch ein Eishauch die Landschaft gestreift hatte. Entgegen früherer Touren von Moldava nach Altenberg nutzte ich ab hier nicht den direkten Weg, sondern ging entlang der Grenze auf dem Holperbachweg weiter. Durch ein liebliches Tälchen gewann ich sanft steigend an Höhe. Die Ausrichtung des Tales verschärfte aber die Windsituation wieder. Schließlich erreichte ich Neurehefeld.

Auf der Grenzbrücke überholte ich eine merkwürdige Person in Militärparka und leichten baumwollenen Dreiviertelhosen. Er war schwer mit Rucksack und Einkaufstüten bepackt. Der Anblick der nackten Beine ließ mich erschauern. Ich bog nach links ein und ging zum Bahnhof von Moldava v Krušných horách (Moldau) hinunter. Hier konnte ich nach kurzer Zeit das pünktliche Eintreffen eines Triebwagenzuges verzeichnen. Ich ging auf dem Flurweg entlang der Bahn weiter. Als dieser nach links über einen Überweg abbog, hielt ich mich weiter rechts der Strecke und kam durch einen Einschnitt unterhalb eines alten Bahnwärterhauses an. Ich nutzte die davorliegende Unterführung und schlängelte mich danach auf Wildpfaden links der Bahn durch den Wald. Nach einer Weile traf ich auf die Schneise einer Skiloipe. Im Windschatten eines Dickichts legte ich meine Mittagspause ein. Weitergelaufen, fand ich ein weiteres Bahnwärterhaus vor. Von hier ab mühte ich mich auf Wildpfaden am Rand eines steilen Einschnittes weiter und erreichte in der Folge den einstigen Bahnhof Mikulov-Nové Město (Niklasberg-Neustadt). Nach kurzer Wartezeit wollte ich die Rückfahrt des Zuges dokumentieren, aber nach einem ersten Bild versagte der Akku des großen Fotoapparates. Zum Glück hatte sein kleiner Kollege den Weg in die Tasche gefunden, so dass es auch vom Rückweg noch Bilder gibt.

Von der Station abwärts gehend, gelangte ich durch ein Tälchen zur Kreuzung Pod Vitiškou. Ab hier leitete mich eine rote Wanderwegmarkierung durch den wechselnd stärker oder schwächer bereiften Erzgebirgswald. Am Fuße einer Steigung mit Grobschotterbelag legte ich im Windschatten nochmals eine kleine Pause ein. Dabei passierte mich ein tschechisches Pärchen mit zwei Hunden. Soweit ich das beurteilen konnte, haben wir uns über das Wetter unterhalten, denn er meinte froh zu sein, bald wieder nach Hause zu kommen. Nach einer freundlichen Verabschiedung zogen sie weiter. Ich folgte später mit einigem Abstand hinauf in die „Todeszone“. Ab dem Abzweig U vojáka (Beim Soldaten) strebte ich am Rand einer spärlich befahrenen Straße in Richtung Zivilisation. Die erreichte ich in Cínovec (Böhmisch Zinnwald). Beim Weg durch den Ort überlegte ich noch, einen Abstecher zum Dlouhý rybník (Langer Teich) zu machen. Nebelbedingt würden sich dort aber sicher keine lohnenden Motive finden lassen, auch mit FKK-AnhängerInnen war heute eher nicht zu rechnen. Bei diesen Verhältnissen wäre zu befürchten, dass dabei noch jemand sprichwörtlich abnippelt. Schließlich traf ich, zurück in Deutschland, an meinem Ausgangspunkt in Zinnwald ein. Der Sinn der Übung war jedenfalls erfüllt. Jetzt muss nur noch das zarte Pflänzchen Weihnachtsstimmung über die nächsten drei Wochen hinübergerettet und vor Hektik und Konsumterror beschützt werden.

Wanderstrecke:
Zinnwald > Kleiner Lugstein > Neurehefeld > Moldava v Krušných horách nádraží > Mikulov-Nové Město nádraží > Pod Vitiškou > U vojáka > Cínovec > Zinnwald (18,5 km)
Ausführlicher Wanderbericht:
https://www.hikr.org


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Bild 1: Haus in der Reifhölle von Zinnwald


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Bild 2: Wegweiser (Da hat wohl wer geschaut wo er hin muss...) (Hinweis: Eine längere Betrachtung des Bildes kann Schwindelgefühl auslösen!)


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Bild 3: Moldava v Krušných horách (Moldau), pünktlich (!) einfahrender Os 26802


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Bild 4: Moldava v Krušných horách, Einfahrweiche


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Bild 5: Am zweiten Bahnwärterhaus (aus Richtung Moldava)


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Bild 6: Triebwagenzug Os 26803 erreicht die Station Mikulov-Nové Město (Niklasberg-Neustadt)


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Bild 7: Andreaskreuz


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Bild 8: Grenztafel in Cínovec (Hinweis: Eine längere Betrachtung des Bildes kann Schwindelgefühl auslösen!)

Kommentare

Da muss man ja aufpassen, dass einem nicht der PC einfriert.
Die Fotos gucke ich mir dann im Sommer bei 40 Grad nochmal an. ;)
Danke für's einstellen und Deinen Bericht dazu.
Danke für den Zuspruch!

Bei meinen Touren versuche ich pro Jahreszeit immer zumindest eine Unternehmung unter den jeweiligen Idealbedingungen zu machen.
Und hier schien mir die Charakteristik des Winters ganz gut getroffen...
 
Sehr schön eingefangene Winterszenen. Wenn im Erzgebirge Winter einzieht, dann richtig...

Helge
 

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vozmistr
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